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Judiths prämierte Geschichte / Seite 1:

Im Badezimmer rauscht die Dusche. Alessia rutscht unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie greift nach dem Löffel auf dem Tisch, tunkt ihn in den Brei vor ihr und rührt darin herum. Ein Zug bahnt sich seinen Weg durch einen Breitunnel, ein Auto fährt auf der Schnellstraße, Berg auf und Berg ab ...
Eine Hand streicht ihr über dem Kopf: "Na, schon aufgeregt ?" Sie nickt stumm und sieht zu wie das Löffelauto langsam im Brei versinkt. Ihr Vater Tim lächelt ihr aufmunternd zu: "An meinem ersten Schultag habe ich auch keinen Bissen hinunterbekommen, so gespannt war ich auf meine Schulklasse und meine Lehrerin. Während der Feier habe ich dann so großen Hunger bekommen, dass ich heimlich meine ganze Schultüte aufgegessen habe. Meine Mutter war vielleicht böse!" Alessia stellt sich vor, wie ihre Oma ihren schokoladenverschmierten Vater ausschimpft und muß lachen.
Das Rauschen im Bad hat aufgehört und ihre Mutter Lisa kommt in die Küche, gibt Alessia und ihrem Mann einen Kuß und setzt sich mit an den Tisch. Als sie Alessias Teller sieht runzelt sie ein wenig die Stirn: "Schatz, du mußt aber was essen, sonst kippst du mir gleich noch um." Alessia blickt ihre Mutter flehend an: "Mami, ich kann nicht. Ich hab überhaupt keinen Hunger... Stimmt es eigentlich, dass die Lehrerin nur Englisch spricht und man kein Wort versteht ?" Die Falten auf Lisas Stirn werden ein wenig tiefer: "Wer hat dir denn so einen Quatsch erzählt?"
"James. Er hat gesagt, dass er der Beste sein wird, weil er aus York kommt und schon Englisch kann. Der meint er muss eigentlich gar nicht mehr in die Schule. Und dann hat er noch gesagt, dass ich fürs Englischlernen viel zu dumm bin!" Puhh, jetzt ist es raus. Alessia hat das schon wochenlang mit sich herumgetragen. Sie hat gedacht sie wird die schlechteste Schülerin der Welt. Tim meint leicht verärgert: "Mit diesem Angeber kommst du gar nicht in eine Klasse. Er wird in eine Klasse kommen, in der mit Französisch begonnen wird. Heutzutage muß jedes Kind im ersten Schuljahr eine Fremdsprache lernen. James wird als Engländer Französisch lernen und du lernst als erstes Englisch mit ganz vielen anderen Kindern, die auch noch kein Wort Englisch können.", er schüttelt nochmals verärgert den Kopf über den kleinen James, läßt den Tischmonitor hochfahren und vertieft sich in die Online-Zeitung.
"Spricht die Lehrerin denn nur Englisch?", fragt Alessia weiter. "Natürlich nicht. Sie ist zwar eine Engländerin, aber sie spricht auch deutsch. Sie kommt nur aus England, um dir Englisch beizubringen.", antwortet Lisa. "Wieso kommt sie denn aus England ?", will Alessia wissen. "Weil jeder Lehrer nur in seiner Muttersprache unterrichten soll, damit du Englisch so lernst, wie es in England auch wirklich gesprochen wird... So und jetzt versuch doch wenigstens ein paar Löffel zu essen sonst kippst du noch an deinem ersten Schultag um und das willst du doch nicht, oder ?" Nein, das möchte Alessia nun wirklich nicht und deswegen stopft sie tapfer Löffel für Löffel in den Mund. Jetzt freut sie sich sogar auf die Schule. Dieser blöde James hat sie nur auf den Arm genommen. Er muss genau wie sie eine andere Sprache lernen. Geschieht ihm nur Recht.
Lisa blickt kritisch auf die Uhr: "Jetzt aber schnell. Wir wollen schließlich nicht sofort an deinem ersten Schultag zu spät kommen."

 

Die drei begeben sich in den Fahrstuhl und fahren nach unten in die Tiefgarage.
Alessia wird immer aufgeregter und läuft schon bis zu dem Auto vor. Endlich kommen ihre Eltern auch an. Tim öffnet das Auto und alle drei nehmen in den bequemen Sitzen Platz und werden auf Tims Knopfdruck hin alle automatisch angeschnallt. Auf dem flachen Monitor vorn am Armaturenbrett erscheint das Datum und die Tagestemperatur, sowie andere wichtige Daten, wie z.B. der Stand der Tankfüllung, der Winkel der Solarzellen auf dem Dach usw. Tim überfliegt die Informationen, startet dann das Auto und fährt aus der Garage auf die U1, die erste Unterirdische Straße in ganz Europa. Mittlerweile gibt es zwar auch in übrigen Teilen Deutschlands und Europa diese Straßen, aber hier im Ruhrgebiet ist man halt stolz darauf, die ersten gewesen zu sein.
Tim lehnt sich zufrieden in seinem Sitz zurück und stellt auf den Autopiloten um. Dann holt er sich den Sportteil seiner Zeitung auf den Monitor, den er beim Frühstück nicht zu ende lesen konnte, weil Lisa mal wieder so hetzen mußte.

 

Seite 2 der Geschichte